IFFLAND WISCHNEWSKI hat für einen privat-gewerblichen Träger ambulanter Eingliederungshilfen in einer Grundsatzentscheidung vor dem Bundessozialgericht weitere Corona-Hilfen nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) erstritten. Von dem Grundsatzurteil werden neben der Klägerin zahlreiche weitere Leistungserbringer wirtschaftlich erheblich profitieren.

Dreh- und Angelpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung war die Frage, wie die Zuschüsse nach § 3 SodEG zu berechnen sind. Der südhessische Kreis Bergstraße vertrat im Einklang mit den FAQ des BMAS seit deren zweiter Fassung (die erste hatte den Rechenweg der Klägerin noch ganz konkret gestützt) die Ansicht, dass Zuflüsse im Sinne von § 4 SodEG, beispielsweise also Kurzarbeitergeld oder Vergütungen für trotz der pandemischen Lage weiterhin erbringbare Leistungen, von der maximalen Zuschusshöhe abzuziehen sind.

Der Zuschuss berechnet sich grundlegend monatsweise nach dem Durchschnitt der Einnahmen aus dem maßgeblichen Vertragsverhältnis in den letzten zwölf Monaten vor dem Beginn der pandemiebedingten Einschränkungen. Dieser monatliche Durchschnittswert entspricht im Rahmen der Berechnung der Basis von 100 Prozent. Die Leistungen nach dem SodEG sind gesetzlich auf maximal 75 Prozent des Zwölf-Monats-Durchschnitts begrenzt. Die einzelnen Bundesländer konnten auch Zuschüsse von bis zu 100 Prozent vorgeben. Davon hat aber nur Thüringen Gebrauch gemacht.

Die Klägerin war demgegenüber der Ansicht, dass die Zuflüsse im Sinne von § 4 SodEG von der Basis i.H.v. 100 Prozent abzuziehen sind, sodass eine Kürzung der Leistung auf unter 75 Prozent dieses Durchschnittswertes der früheren Einnahmen nur dann eintritt, wenn die Zuflüsse mehr als 25 Prozent ausmachen. In der Summe könnten die Leistungserbringer nur so ihre vollen laufenden Kosten refinanzieren und jederzeit wieder einsatzbereit sein. Ihre Revision hat die Klägerin vor allem darauf gestützt, dass ausweislich der Gesetzesbegründung die Bestandssicherung der sozialen Dienstleister zentraler Gesetzeszweck ist, mit maximal 75 Prozent der früheren Einnahmen aber kein soziales Unternehmen überlebensfähig sei. Der Gesetzgeber sei lediglich davon ausgegangen, dass Einsparungen bei den Leistungsträgern eventuell möglich seien. Er habe aber kein „Corona-Sparprogramm“ zugunsten von Sozialleistungsträgern mit garantierten Ausgabenminderungen um 25 Prozent der im Regelfall zu leistenden Vergütungen aufgelegt. Das Gesetz laufe in der Interpretation des Sozialgerichts Darmstadt und des Hessischen Landessozialgerichts letztlich weitgehend leer. Das zeige auch die Praxis, denn in einer Erhebung der Bank für Sozialwirtschaft haben 70 Prozent der befragten Leistungserbringer angegeben, dass die staatlichen Corona-Hilfen nicht ausreichten.

Für die Klägerin bedeutete das alleine im entschiedenen Fall eine Minderung der Leistungen für zwei Monate i.H.v. 9.000 Euro. Weil die Klägerin aber auch Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erbringt, stehen aufgrund anderer Rechtswegzuweisung insoweit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beim Verwaltungsgericht Darmstadt weitere rund 19.000 Euro im Streit. Für die Klägerin, aber auch für zahlreiche weitere Leistungserbringer der Eingliederungs- und Kinder- und Jugendhilfe bedeutsam sind aber auch weitere offene Abrechnungsstreitigkeiten, bei denen es um die Frage der korrekten Berechnung der Leistungshöhe unter Verrechnung von Zuflüssen geht.

Auch dann, wenn Sozialleistungserbringer gegen entsprechende Kürzungen nicht mit Widerspruch und Klage vorgegangen sind, können sie von dem am 17. Mai ergangenen Urteil des Bundessozialgerichts voraussichtlich noch erheblich profitieren. Denn § 44 SGB X lässt auch die nachträgliche Überprüfung und Abänderung von bereits bestandskräftigen Leistungsbescheiden zu. Maßgeblich ist insoweit die Frage, ob es sich um Sozialleistungen handelt. Dass Leistungen nach dem SodEG als Sozialleistungen anzusehen sind, hat das Sozialgericht Altenburg in einem ebenfalls von Iffland Wischnewski vertretenen Verfahren bereits bejaht (Az. S 21 SO 492/21; Berufung anhängig beim Thüringer LSG, Az. L 8 SO 917/22).

Prozessanwalt Jörn Bachem freut sich für die Sozialbranche: „Das Bundessozialgericht hat die Corona-Hilfen nach dem SodEG heute vom Kopf wieder auf die Füße gestellt. Wenn auch spät, können diese Hilfen nun endlich in wirksamem Umfang durchgesetzt werden. Vielleicht wird das eine oder andere Unternehmen so auch zumindest zeitweise besser durch die Energiepreiskrise kommen. Dass einige Behörden die Pandemie mithilfe des SodEG letztlich für Einsparungen ausgenutzt haben, war mehr als unschön. Wir sind sehr glücklich, dass das Bundessozialgericht heute Abhilfe für alle Leistungserbringer in der Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe geschaffen hat.“

Die Klägerin im vorliegenden Verfahren erbringt ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe in Gestalt von Teilhabeassistenz in der Schule. Diese Sozialleistung soll sicherstellen, dass von Behinderungen betroffene Kinder und Jugendliche eine angemessene Teilhabe an der Schulbildung erreichen können. Die Klägerin ist in diesem Sektor überregional tätig und hat derzeit mehr als 400 Mitarbeitende.

Verfahrensgang:
Sozialgericht Darmstadt, S 17 SO 36/21 SDE, 28.04.2021
Hessisches Landessozialgericht, L 4 SO 119/21, 16.03.2022
Bundessozialgericht, B 8 SO 6/22 R, 17.05.2023